Sicheres Fahrradfahren gegen die Einbahn

Wer kenn das nicht? Du fährst gemütlich eine Straße entlang und stehts vor einem Einfahrverbot. Mühsam musst du einen Umweg suchen, obwohl die Straße wenig befahren und breit genug wäre. Dabei sagen Studien der letzten 20 Jahre, dass das Fahren gegen die Einbahn sicher ist! Hier eine Zusammenstellung der Argumente für das sichere Fahren gegen die Einbahn.

Einbahnstraßen dienen der Lenkung und Regelung des motorisierten Verkehrs. Für den Radverkehr unterbrechen sie dagegen vielfach direkte Verbindungen. Durch die Öffnung von Einbahnstraßen können mehr Wege erschlossen werden und oftmals unattraktive Routen leichter umfahren werden.

 

Allerdings kommt von autofahrender Seite (und politischen Parteien) oft der Einwand, dass das Fahren gegen die Einbahn gefährlich wäre. Das ist schlicht falsch! Die empirische Forschung der letzten 20 Jahre zeigt, dass das Fahren gegen die Einbahn nicht gefährlicher als mit der Einbahn ist. Im Gegenteil: das Fahren gegen die Einbahn erhöht den Radverkehr und verringert die Unfallhäufigkeit.

Eine von vielen unnötigen Einfahrverboten, hier etwa in der Piaristengasse in der Josefstadt.
Eine von vielen unnötigen Einfahrverboten, hier etwa in der Piaristengasse in der Josefstadt.

Fahren gegen die Einbahn ist sicherer als mit der Einbahn.

Schon eine Studie der Deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen aus dem Jahr 2001 zur Verkehrssicherheit in Einbahnstraßen mit gegengerichtetem Radverkehr kam zum Ergebnis, dass „die Problematik bezüglich der Verkehrssicherheit des Radverkehrs in Einbahnstraßen insgesamt nur gering ist“ und sich tendenziell durch die Öffnung der Einbahnstraßen sogar ein Sicherheitsgewinn erwartet werden kann.

 

Die Schlussfolgerung lautet (und das schon 2001!): „Da durch die Öffnung von Einbahnstraßen in Erschließungsstraßen die Attraktivität des Radverkehrs verbessert werden kann, ohne dass damit negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit verbunden sind, stehen einer breiten Anwendung der Regelung in den Kommunen keine Bedenken entgegen.“

 

Eine Untersuchung deutschen Unfallforschung der Versicherer aus dem Jahr 2016 kam zu dem Ergebnis, dass insgesamt mehr Unfälle in Fahrtrichtung der Einbahn als gegen die Einbahn passieren. 

Die Faktenlage ist eindeutig!

Der European Transport Safety Council, dem man sicher keine tendenziöse Parteinahme für das Fahrrad unterstellen kann, hat in einem aktuellen Factsheet im März 2018 hingewiesen, dass in der vorhandenen Literatur eine weitgehende Zustimmung darüber besteht, dass das Fahren gegen die Einbahn das Kollisionsrisiko nicht erhöht, sondern es einen insgesamt positiven Effekt auf die Verkehrssicherheit gibt:

 

“A literature review reveals that there is broad agreement on the fact that the introduction and use of contraflow cycling on certain types of roads does not increase the risks of a collision. Instead, it is considered that it may have an overall positive effect on road safety.”

 

Ähnliche Ergebnisse liefern Studien aus Brüssel und Paris, die konkrete Straßen untersucht haben, in denen die Einbahn für den Radverkehr geöffnet wurde:

  • Die Studie aus Brüssel hat herausgefunden, dass in Einbahnstraßen, die für Radfahrende geöffnet wurden, mehr Unfälle in Richtung der Einbahn als gegen die Einbahn passieren.
  • Die Studie der Stadt Paris (Mairie of Paris 2012), zitiert vom International Transport Forum der OECD, auch keine pronuncierte Fahrrad-Interessensvertretung, hat die Öffnung von Einbahnstraßen evaluiert und kommt zum Ergebnis, dass die Einbahnöffnung den Fahrradverkehr in den betroffenen Straßen erhöht hat und trotz der höhere Anzahl an Radfahrenden es keine damit zusammenhängenden Unfälle gab. Die typischen Unfälle hatten nichts mit dem Fahren gegen die Einbahn zu tun, sondern waren sozusagen klassische Unfälle (wie beispielsweise Dooring).

Warum erhöht sich durch die Öffnung von Einbahnstraßen die Sicherheit für den Fahrradverkehr ?

Erstens geht die schon oben zitierte Studie der deutschen Unfallforschung der Versicherer von 2016 davon aus, dass wegen des entgegenkommenden Fahrradverkehrs AutofahrerInnen achtsamer fahren und sich dadurch insgesamt die Verkehrssicherheit erhöht. Das ist insbesondere in schmalen Straßen der Fall, wo alle VerkehrsteilnehmerInnen dann vorsichtiger fahren.

 

Zweitens erhöht das Fahren gegen die Einbahn die Sichtbarkeit des Radverkehrs. Dadurch können alle VerkehrsteilnehmerInnen die Verkehrssituation besser abschätzen. Dieses Ergebnis wurde etwa in der schon zitierten Studie aus Brüssel ermittelt.

 

Drittens führt das Öffnen von Einbahnstraßen zu sichereren Routen. Die Studie aus Brüssel kommt zum Ergebnis, dass Fahrradunfälle hautsächlich an Kreuzungen und an stark befahrenen Straßen passieren. Durch die Öffnung von Einbahnen können RadfahrerInnen sichere Routen wählen, wodurch sich die Unfallgefahr reduziert.

 

Viertens fahren durch angenehmere, sichere und kürzere Routen auch mehr Menschen mit dem Fahrrad. Dadurch erhöht sich wiederum die Sicherheit am Rad. Safety in numbers heißt dieses Schlagwort im Englischen. Was so viel heißt wie: Je mehr Menschen radeln, desto sicherer ist das Radeln. Auch dieser Zusammenhang ist empirisch solide untersucht und etwa von der European Cyclists' Federation gut zusammengefasst.

Weit und breit kein fahrendes Auto, Platz genug, trotzdem ist die Einfahrt verboten: Hier in der Dürauergasse in Hernals.
Weit und breit kein fahrendes Auto, Platz genug, trotzdem ist die Einfahrt verboten: Hier in der Dürauergasse in Hernals.

Was lernen wir daraus?

Fakt ist: das Fahren gegen die Einbahn erhöht die Attraktivität und Sicherheit des Fahrradverkehrs. Es ist darüber hinaus als regulative Maßnahme kostengünstig einzuführen und sollte daher - so auch die Empfehlung etwa des European Transport Safety Council - mit flankierenden Maßnahmen begleitet flächendeckend eingeführt werden.

 

Dass die Öffnung von Einbahnen für den Fahrradverkehr bislang nur sehr zögerlich passiert ist, hat eine Vielzahl von Gründen: politische Konstellationen, mediale Kampagnen, nicht zeitgemäße Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen und so weiter.

 

Durch die politische Willensäußerung der Bundesregierung in der Klima- und Energiestrategie, den Fahrradanteil in Österreich bis 2025 auf 13% zu verdoppeln, könnten sich die politischen Frontstellungen etwas auflösen. Denn dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn der Fahrradverkehr aufgewertet und die Infrastruktur attraktiver wird. Die flächendeckende Öffnung von Einbahnstraßen für den Fahrradverkehr ist hierbei eine der kostengünstigsten Maßnahmen mit dem angenehmen Nebeneffekt, dabei auch die Verkehrssicherheit insgesamt zu erhöhen.